Sonntag, 15. Februar 2015

Berlinale vergibt Drehbuchpreis - an einen Film ohne Drehbuch

Die Jury der Berlinale hat entschieden und Preise verstreut. Dabei ist sie der Tradition treu geblieben, im Zweifel lieber einen Filmemacher wegen seiner Persönlichkeit, seines Schicksals oder generell aus Gründen politischer Signalwirkung auszuzeichnen. Und nicht wegen des eingereichten Werkes.
Der Hauptpreis ging also in den Iran, für einen Film, der unter den Besuchern nicht unbedingt Favorit war. 
Einige andere Kategorien konnte man durchaus nachvollziehen, wie Darsteller und Regie.
Was meiner unmaßgeblichen Meinung nach jedoch ein Schlag ins Gesicht aller professioneller Drehbuchautoren ist, ist der Preis für "Der Perlmuttknopf". Dieser Dokumentarfilm, über dessen Qualität ich mich schon ausgelassen habe, bekommt einen Preis für das "Drehbuch".
Bedurfte es noch eines Beweises, mit welcher entweder Ahnungslosigkeit oder auch Verachtung das filmemachende Universum der Keimzelle des Films an sich, dem Drehbuch, gegenübersteht, ist er hiemit ein weiteres Mal erbracht. 
Wo bitte hatte dieses zusammengeschnipselte Alterswerk ein Drehbuch? 
Wenn ein dramaturgischer Bogen vorgesehen war, ist er unter der Last der Überambition zusammengebrochen. 
Wo bitte ist eine kreative Autorenleistung? 
Wie sieht dieses Drehbuch aus? 

Meer - außen/Tag. 
Wasser rauscht. 

Oder 

Studio innen/Tag 
Wir betrachten einen Salzblock von verschiedenen Seiten.

Ich habe auf der Berlinale dieses Jahr nur 15 Filme gesehen. Von denen hatten 14 ein Drehbuch, das signifikant besser war als das, was nun ausgezeichnet wurde.
Wenn man den Filmemacher unbedingt bepreisen wollte, aus den bekannten, politischen Gründen, dann hätte es genügend andere Möglichkeiten gegeben. Aber ihn für das "Drehbuch" auszuzeichnen verhöhnt die Autoren all der anderen 400 Filme.

Dienstag, 10. Februar 2015

Berlinale, die Vierte

Gestern hatte ich den Tag der Magersucht...

Min lilla syster
Stella ist 11, pummelig und die kleine Schwester einer talentierten Eisläuferin, der alle Aufmerksamkeit gilt. Doch nur Stella bemerkt, dass ihre Schwester an Bulimie leidet, wird von ihr aber zum Schweigen genötigt...
Emotionaler und realistischer Kinderfilm mit großartigen Darstellern. Gehört eigentlich in das Pflichtprogramm aller Schulen. Wird es aber sicher nicht in die Kinos schaffen, dazu ist er zu unspektakulär.

El Club
Wettbewerbsbeitrag aus Chile. In einem kleinen Dorf im Süden leben vier Priester und eine Nonne in einem Haus. Sie sind von der Kirche dort ins Exil geschickt worden, aber sie lassen es sich trotz der nominell strengen Regeln gut gehen. Dann wird ein weiterer Pater vorgestellt und das Unglück nimmt seinen Lauf...
Radikaler Film über Missbrauch, Schuld und Sühne, der alle menschlichen Facetten von Täter- und Opferschaft anspricht und gnadenlos zeigt. Herausragende Schauspielerleistungen und atmosphärisch extrem dicht. Sieht aber leider in weiten Teilen aus, wie mit SD-Kameras aus den 80er Jahren aufgenommen. Miserable Auflösung, flau, Grauschleier statt schwarz. Wenn das Absicht war, irritiert es mehr als es erzählt.

Koza
Ein ehemaliger Olympiaboxer, der heute als Schrottsammler sein bisschen Geld verdient, muss 300 Euro heranschaffen, um seiner Freundin die Abtreibung zu bezahlen, da sie das Kind nicht will. Mit seinem Chef, der sich als Promotor versucht, macht er sich auf die Reise über die Grenze nach Deutschland und tingelt mit ihm durch drittklassige Boxsäle, um jedes Mal mehr verprügelt zu werden...
Sehenswertes, dreckiges, kleines Roadmovie. Klassischer Festivalstoff, der wohl seinen Weg machen wird, mit einem doch überraschenden Ende.
Ein kleine Rat an alle Kulturwachteln: Liebe Omas, wenn Ihr in einem Film geht, der vom BOXEN handelt, dann liegt es in der Natur der Sache, dass dem Hauptdarsteller das Nasenbein demoliert wird. Wenn Ihr sowas nicht sehen wollt, bleibt doch gleich zu Hause und watschelt nicht während der Vorstellung maulend und daunenmantelraschelnd raus. Oder wenigstens alle auf einmal und nicht alle fünf Minuten zwei...

Body
Polnischer Wettbewerbsbeitrag über einen verwitweten Staatsanwalt der mit seiner magersüchtigen Tochter an eine angeblich spiritistisch begabte Therapeutin gerät.
Film mit tiefschürfendem Thema bzw. Themen mit großartigen Momenten während der Therapien, vielen herrlich grotesken Situationen und dann wieder reichlich beklemmenden Sequenzen.
Unvorhersehbar, mit vielen Kniffen und Wendungen und tollen Darstellern. Sehr sehenswert.

Montag, 9. Februar 2015

Berlinale 3

Und ein weiterer Tag in der erstaunlichsten Stadt des Universums.
Der Berlinale Server hat die Kartenholer am Morgen mit einem Totalausfall in der Kälte stehen lassen, aber wenigstens funktioniert später der Filmserver.

Holmes
Sherlock Holmes ist 93, lebt an der Südküste mit einer Haushälterin und deren Sohn, leidet an beginnendem Alzheimer und versucht verzweifelt, sich zu erinnern, warum sein letzter Fall vor 30 Jahren sein letzter war und er sich aus der Branche zurückgezogen hat. Mein Berlinale Highlight bisher, mit phantastischen Schauspielern. Im Wettbewerb, aber leider außer Konkurrenz.

Knight of Cups
Ein sehr erfolgreicher Drehbuchautor mit Burnout memoriert die Stationen seiner Karriere. Eine teils surreale Bilderflut, nur zusammengehalten durch die beinahe Dauerpräsenz des Hauptdarstellers (Christian Bale; auf dem Roten Teppich hinreichend hysterisch bekrischen und geknipst) und seine drei Gesichtsausdrücke, Themengebenden Tarot-Karten und immer mal wieder demselben Hubschrauber, der durchs Panorama flattert. Verweigert sich jeder Konvention durch die permanenten Off-Stimmen, die die akustisch zurückgeblendeten Spielszenen quasi-dokumentarisch wirken lassen, verzichtet auf einen Plot im eigentlichen Sinne und am Ende des Tages auch auf eine Botschaft. Trotzdem stellt sich spät ein gewisser suggestiver Sog ein. Klarer Bärenkandidat für Kamera und Schnitt.

El bóton nácar
Dokumentarfilm aus Chile, der versucht, den ganz großen Bogen von der Vernichtung der Ureinwohner Pagagoniens bis zu den Junta-Morden zu spannen. Ein paar großartige Einstellungen retten den Film nicht, der mehr abbeißt als er schlucken kann. Der Versuch, alles mit allem zu verbinden scheitert kläglich. Zu viel Geschwätz von den falschen Leuten im On, unreflektierter Selbstbezug in der Offstimme, ohne dass man wirklich etwas erfährt und als der Film eigentlich vorbei ist, kleckert er noch weitere 20 Minuten wiederholend vor sich hin. Peinlich: Der Anthropologe, der minutenlang verklärten Gesichts Indianergesang intoniert. Sehr enttäuschend und nicht des Wettbewerbs würdig. Aber wohl aus politischen Gründen drin.

Sonntag, 8. Februar 2015

Weiter mit dem Bären...

Und hier sind die nächsten cinematographischen Ereignisse, die ich bewundern durfte.
Gestern hatte ich den Tag der mittel- und südamerikanischen Landwirtschaft...

La mujer de barro
Vor zehn Jahren vergewaltigte, chilenische Landarbeiterin kehrt auf die Plantage zurück, wo das geschah, um dort wieder zu arbeiten. In ruhigen Bildern und langen Einstellungen ohne jede Hektik erzählte Geschichte über eine Form der modernen Sklaverei. Hat schon mal jemand darüber nachgedacht, woher die dicken, blauen Trauben kommen, die man Weihnachten kaufen kann?

Ixancul
Und nun Guatemala. Wieder Landbau, hier am Hang eines Vulkans und unter Mayas. Ein Mädchen, das dem Aufseher als "Ersatz"-frau versprochen ist, lässt sich von einem anderen schwängern. Mit Laiendarstellern inszeniert, die zwischen overacting und no acting at all agieren, zeigt interessante Aspekte des heutigen Lebens von Ureinwohnern und bekommt erst ganz zum Schluss ein paar wirklich überraschende Wendungen. Erinnert aber für mich fatal an den Tag aus dem Leben eines Eisensammlers, der die Berlinale gewann... Könnte also ein Kandidat sein.

Journal d'une femme de chambre
Unterhaltsames Kostümfastdrama um ein Zimmermädchen Ende des 19. Jahrhunderts. Aber mit völlig unausgegorenen, plakativen Charakteren, ohne Zielrichtung oder auch nur eine Story. Die Bild gewordene Irrelevanz.
Was haben die Franzosen der Festivalleitung getan, dass immer so ein Kram ihr Land auf der Berlinale präsentieren muss?!

Paper Planes
Australischer Kinderfilm über einen Halbwaisen, der durch Zufall ein Talent im Papierfliegerfalten entdeckt und zu Meisterschaften fährt. Mit großartigen Darstellern gesegneter Wohlfühlfilm, nicht ohne Drama und Tiefgang, der genau so ausgeht, wie man es sich wünscht.








Samstag, 7. Februar 2015

Meine kleine Berlinale

Ich gehöre ja zu den wenigen Berlinale Besuchern, die sich Filme anschauen. Ich meine Fachbesuchern. Die meisten aus der Branche kommen her, um zu aquirieren, intrigieren, Strippen zu ziehen, seitenspringen, häppchenschlingen, networken.
Ich bin so unbedeutend (Autor eben...), dass ich kaum eine Einladung bekomme.
Daher treibe ich mich in Kinosälen herum und hole mir meine alljährliche Überdosis.
Bisher gesehen:

Sangue Azul
Zwei Stunden lang rammelt jeder jeden auf einer brasilianischen Insel im Atlantik, mit ein wenig Familienmelodram, Zirkusromantik, Mystik und einigen großartigen Einstellungen.
Südamerikanisches Kino eben...

600 Milas
Kleines, dreckiges, mexikanisch-amerikanisches Roadmovie. Kurz, aber funktioniert.

45 Years
Großartige Schauspieler in einem Hörspiel mit ein paar Bildern. Warum in aller Welt läuft ein Fernsehspiel der Gegenwart im Wettbewerbsprogramm der Berlinale?!

Sonntag, 1. Februar 2015

Kein Entkommen

Mir persönlich ist es herzlich gleichgültig, welcher C- bis D-"Promi" sich nicht entblödet, sich eine Weile im Dreck zu wälzen und seine Genitalien einer lechzenden televisionären Meute preiszugeben. Ich MUSS mir so etwas ja nicht ansehen. Was ich auch nicht mache. Meine Zeit ist mir wirklich zu schade für diese niederste Form der Fernseh"unterhaltung".
Was mir jedoch in den letzten Wochen gewaltig auf die Nerven gegangen ist, ist die Tatsache, dass ich TROTZDEM dieser Peepshow nicht entkommen konnte. Es gibt sechs mehr oder weniger seriöse Nachrichtenkanäle, die ich täglich mehrfach im Internet konsultiere - und JEDER von diesen berichtete aus dem Dschungel. Mit Bildern, prominent platziert und wieder und wieder und wieder. Ich habe keinen Artikel gelesen - und trotzdem bin ich nur anhand des unvermeidlichen Schlagzeilen-Scannens jederzeit im Bilde gewesen, was sich in Australien (?) im Fernsehlabor so alles tat. Dabei spielte keine Rolle, dass ich es nicht wissen WOLLTE. Ich konnte diesem hochpeinlichen Treiben einfach nicht entkommen.
Was soll der Mensch also tun, der partout nicht im Dschungel campen will? Muss er sich für die kommende Spielzeit in eine Höhle zurückziehen und erst wieder hervorkommen, wenn man fertig hat?